Seminarbericht

Der Begriff des thermischen Gleichgewichts ist das wohl wichtigste Konzept im Verständnis von Vielteilchen-Systemen. Es erlaubt, universelle Gesetzmäßigkeiten zu identifizieren und die Emergenz von neuen Zuständen aus kollektivem Verhalten zu erklären. In neuerer Zeit sind allerdings, sowohl in synthetischen Quantensystemen als auch durch die Untersuchung der Dynamik von Festkörpern, wechselwirkende Quantensysteme fern vom Gleichgewicht zugänglich geworden, deren Beschreibung völlig neue theoretische Ansätze erfordert, welche zu vielfach überraschenden Erkenntnissen geführt hat.

Das Ziel des Seminars, das vom 19. bis 22. Juni im Physikzentrum Bad Honnef stattfand, war es, junge Wissenschaftler und weltweit führende Forscher auf diesem Gebiet zusammenzubringen, um universelle Ansätze in der Behandlung von Nichtgleichgewichtsphänomenen in wechselwirkenden Systemen zu identifizieren. Diese wurden in verschiedener Form diskutiert: Quantenmaterie außerhalb des thermodynamischen Gleichgewichts kann völlig neuartige dynamische Phasen aufweisen, etwa in getriebenen dissipativen Systemen oder in der Form von langlebigen transienten (sogenannten präthermalen) Zuständen mit nicht-thermalen Eigenschaften. Der große Zuspruch des Seminars aus einem sehr internationalen Teilnehmerkreis (nur etwa die Hälfte der Teilnehmer war aus Deutschland angereist) zeigte, wie aktiv dieses Gebiet mittlerweile ist. Um zu einer gemeinsamen Sprache zu finden, wurden vier Themenbereiche in einem jeweils 90-minütigen Übersichtsvortrag vorgestellt: Dynamische Phänomene in isolierten Quantensystemen, periodisch getriebene Systeme, dissipative Quantensysteme sowie numerische Methoden, wie sie eher in der Beschreibung der Dynamik von Festkörpern verwendet werden. Das, sowie die exzellenten kürzeren Vorträge, die bis zum letzten gut besucht waren, haben zu regen Diskussionen geführt, an den Postern und auch weit über die eigentliche Postersitzung hinaus. Das Physikzentrum bietet hierfür eine ideale Umgebung, gerade bei dem wunderschönen Wetter der Seminarwoche, wenn sich der Innenhof nutzen lässt. Am Ende blieb das Gefühl, an einem Forschungsgebiet zu arbeiten, das sicher erst am Beginn seiner Entwicklung steht.

Prof. Dr. Martin Eckstein, Universität Erlangen-Nürnberg
Prof. Dr. Michael Knap, TU München